Stets wird geraten: Wer Aufwendungen für eine Dienstreise – etwa für Verpflegung und Unterkunft – beim Finanzamt geltend machen will, sollte Privates und Berufliches strikt trennen.
Doch wie ist mit erhaltenen Entschädigungen in Bezug auf das Finanzamt zu verfahren? Inwieweit sind Entschädigungen, die ein Fluggast mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland von einer Fluggesellschaft für den Flugausfall erhält bei den zuständigen Finanzbehörden anzuzeigen? Und unterliegen für den Flugausfall erhaltenen Entschädigungen dem Einkommensteuergesetz (EStG)?
In Deutschland unterliegen Einkünfte grundsätzlich dem EStG und müssen besteuert werden. Das EStG kennt sieben sogenannte Einkunftsarten, die bei der Berechnung der Einkommenssteuer berücksichtigt werden. Diese sind vom Gesetzgeber unter § 2 Abs. 1 EStG erfasst worden. Gemäß der vorgenannten Vorschrift unterliegen der Einkommensteuer
- Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft,
- Einkünfte aus Gewerbebetrieb,
- Einkünfte aus selbständiger Arbeit,
- Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit,
- Einkünfte aus Kapitalvermögen,
- Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung,
- sonstige Einkünfte im Sinne des § 22.
Flugentschädigung als zu versteuerndes Einkommen?
Unter Umständen können auch Entschädigungen als zu versteuernde Einkünfte der Einkommensteuer unterliegen. Hierzu bedarf es zunächst einer Auseinandersetzung für die hier relevante Vorschrift § 24 Nr. 1, lit. a bis c EStG.
Unter den Voraussetzungen des § 24 Nr. 1, lit. a bis c EStG gehören Entschädigungen zu den Einkünften i.S.d. § 2 Abs. 1 EStG. Dies bedeutet, dass die für den Flugausfall erhaltenen Entschädigungen dann zu versteuern sind, wenn Entschädigungen i.S.v. § 24 Nr. 1 lit. a bis c EStG darstellen.
- <1500kmHamburg – Mailand250€
- 1500-3500kmBerlin – Gran Canaria400€
- >3500kmMünchen – New York600€
Entschädigungen stellen dann zu versteuernde Einkünfte i.S.v. § 2 Abs. 1 EStG dar, wenn sie
- als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen,
- für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit, für die Aufgabe einer Gewinnbeteiligung oder einer Anwartschaft auf eine solche oder
- als Ausgleichszahlungen an Handelsvertreter nach § 89b des HGB gewährt worden sind.
Der Begriff der „Entschädigung“ ist gesetzlich nicht definiert, sondern wird vielmehr durch die zu diesem Begriff ergangene Rechtsprechung und Literatur geprägt. Die Entschädigung gemäß § 24 Nr. 1, lit. a EStG soll als Ersatz für unmittelbar entgangene oder entgehende konkrete Einnahmen gezahlt werden, wenn der Steuerpflichtige einen Schaden durch Wegfall von Einnahmen erlitten hat und die Zahlung unmittelbar dazu bestimmt ist, gerade diesen Schaden auszugleichen (BFH, Urteil vom 29.2.2012 – IX R 28/11).
Für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit, für die Aufgabe einer Gewinnbeteiligung oder einer Anwartschaft auf eine solche sind Entschädigungen gemäß § 24 Nr. 1, lit. b EStG dann zu versteuernde Einkünfte, wenn sie als Gegenleistung für den Verzicht auf eine mögliche Einkunftserzielung gezahlt werden (BFH, Urteil vom 13.2.1987 – VI R 230/83).
Nach § 89b HGB kann der Handelsvertreter von dem Unternehmer nach Beendigung des Vertragsverhältnisses einen angemessenen Ausgleich verlangen, wenn und soweit
- der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile hat und
- die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit diesen Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht.
Erhält der Handelsvertreter einen Ausgleich gem. § 89b HGB, so ist dieser als Entschädigung i.S.v. § 24 Nr. 1, lit. c EStG zu versteuern.
Entschädigungszahlungen i.S.v. § 24 Nr. 1 EStG werden folglich durch Rechtsprechung und Literatur definiert als solche Zahlungen, die finanzielle Einbußen in Gestalt des Verlustes oder der Verringerung steuerpflichtiger Einnahmen oder Einnahmemöglichkeiten ausgleichen, die ein Steuerpflichtiger infolge einer Beeinträchtigung seiner Rechtsgüter erlitten oder zu erwarten hat (BFH, Urteil vom 12.06.1996 – XI R 43/94). Entschädigungen i.S.v. § 24 Nr. 1 EStG meint folglich den Ersatz solcher Schäden, die infolge des Wegfalls oder der Verletzung der Erwerbsgrundlage erlitten werden.
Im Falle einer Entschädigung für Flugausfälle hingegen sind die nach § 24 EStG erfassten Tatbestände nicht einschlägig. Bei einer Entschädigung durch eine Fluggesellschaft auf Grundlage der EU-Verordnung Nr. 261/2004 handelt es sich nicht um Ausgleichszahlungen aufgrund der Verringerung von steuerpflichtigen Einkünften, sondern es handelt sich um eine Kompensation eines aufgrund des Flugausfalls entstandenen Schadens. Zur Bemessung des Ausgleichs bedarf es einer Orientierung an den Grundsätzen der §§ 249 ff. BGB. Es handelt sich um eine Ausgleichszahlung, die als „Wiedergutmachung“ für erlittene Nachteile gezahlt wird. Auf Grundlage der EU-Verordnung Nr. 261/2004 schuldet die Fluggesellschaft den betroffenen Fluggästen bei entsprechender Vorlage der Voraussetzungen pauschalierte Ausgleichzahlungen, die Erstattung der Flugscheinkosten oder Gewährung einer anderweitigen Beförderung sowie die Erstattung von Betreuungsleistungen. Demnach stellen diese Entschädigungszahlung, die eine Fluggesellschaft dem betroffenen Fluggast auf Grundlage der EU-Verordnung Nr. 261/2004 leistet, grundsätzlich keine zu versteuernden Einkünfte i.S.v. § 24 Nr. 1, lit. a bis c EStG dar. Folglich sind diese Zahlungen auch nicht als zu versteuernde Einkünfte bei den zuständigen Finanzbehörden anzuzeigen.
Grundsätzlich kann der betroffene Fluggast neben der aufgrund der EU- Verordnung Nr. 261/2004 erhaltenen Kompensation auch weitergehende Schadensersatzansprüche gegen die Fluggesellschaft geltend machen. Hierzu ist der Fluggast gemäß Art. 12 EU- Verordnung Nr. 261/2004 berechtigt. Aufgrund dieser Vorschrift hat der Fluggast die Möglichkeit, gegen die Fluggesellschaft einen weitergehenden Schadensersatz für einen entgangenen Gewinn gemäß § 252 BGB geltend zu machen. Als entgangen gilt der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. Wird dem Fluggast aufgrund des Flugausfalls ein solcher Schadensersatz gezahlt, so könnte nach den bisherigen Ausführungen in diesem Fall eine Besteuerung der für den entgangenen Gewinn geleisteten Entschädigung als Ersatz für entgangene Einnahmen anfallen. Es bedarf jedoch im Einzelfall einer konkreten Prüfung, ob es sich bei der Entschädigung tatsächlich um die Kompensation eines entgangenen Gewinns handelt.