Ausnahme: Entschädigung bei Flugausfall wegen Streiks

Neues aus der Rechtsabteilung (12): Streik-Entschädigung in speziellen Fällen

Wenn Passagiere nicht rechtzeitig durch die Sicherheitsschleuse kommen, darf die Airline dann den FLug annullieren? by Rudi und Peter Skitterians / pixabay
Inhaltsverzeichnis
    Normalerweise zählt ein Streik des Flug- und Bodenpersonals als außergewöhnlicher Umstand, bei dem die Airline ihre Passagiere nicht entschädigen muss, weil es außerhalb ihres Einflusses liegt. Es gibt aber Ausnahmen:

    Der Fall: Flugannullierung durch streikendes Sicherheitspersonal

    Ein Ehepaar buchte einen Flug von Hamburg nach Arrecife auf Lanzarote in Spanien für den 9. Februar 2015. Der Flug sollte um 12.10 Uhr abheben. An diesem Tag streikten jedoch die Sicherheitsdienstleister an den Kontrollschleusen und in der Folge dessen kam es zu einiger Unordnung im Flugplan. Viele Passagiere konnten ihre Flüge nicht mehr rechtzeitig erreichten und mussten auf den nächsten Flug warten. Aus diesem Grund annullierte die Fluggesellschaft den Flug des Ehepaares und ließ das Flugzeug ohne Fluggäste nach Arrecife. Die Kosten für das Flugticket erhielt das Ehepaar zurück.

    Das Urteil: Ehepaar muss trotz Streik entschädigt werden

    Da das Ehepaar sich rechtzeitig am Terminal eingefunden hatte und erhebliche Kosten für einen Ersatzflug von Düsseldorf nach Arrecife aufwenden musste, verlangten die Urlauber von der ursprünglichen Airline jeweils eine Entschädigung in Höhe von 400 Euro. Das Amtsgericht hatte die Klage abgewiesen, da es von einem Streik als außergewöhnlichem Umstand im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechte-VO ausging. Das BGH urteilte aber in nächster Instanz, dass die Umstände des Streiks die Annullierung des betreffenden Fluges nicht ausreichend rechtfertigen würden. Die Airline hätte zum Zeitpunkt der Annullierung des Fluges gar nicht gewusst oder wissen können, ob die Passagiere infolge des Streiks den Flug verpassen würden, und wenn ja wie viele. Die Entscheidung den Flug zu annullieren war also nicht genügend gerechtfertigt.

    Die Gründe: Streik ist nicht per se ein außergewöhnlicher Umstand

    Das klingt nicht nur komplex - es ist komplex. Deswegen wollen wir die Entscheidung des BGH für Sie noch einmal unter die Lupe nehmen.

    Ein Streik begründet, auch wenn er sich als solcher nicht vermeiden lässt, nicht ohne weiteres außergewöhnliche Umstände. Eine Annullierung ist vielmehr nur dann streikbedingt, wenn der Streik zu Folgen führt, die sich mit zumutbaren Maßnahmen nicht abwenden lassen, und wenn diese Folgen die Annullierung rechtlich oder tatsächlich notwendig machen. Diese Anforderungen sind jedoch nicht schon deshalb erfüllt, weil zahlreiche Passagiere des Flugs die Sicherheitskontrollen nicht rechtzeitig durchlaufen konnten. Dass nicht alle Passagiere einen Flug erreichen können, begründet noch keine außergewöhnlichen Umstände, die dessen Absage erfordern. Denn die Durchführung eines Flugs setzt nicht voraus, dass sämtliche Fluggäste, die den Flug gebucht haben, auch befördert werden.

    Die Notwendigkeit einer Annullierung des Flugs kann sich zwar daraus ergeben, dass sämtliche für den Flug gebuchten Passagiere infolge eines Streiks an den Kontrollstellen den Flug nicht zum vorgesehenen Zeitpunkt erreichen können. Dies war hier aber nicht der Fall. Darüber hinaus war für das Urteil des BGH ausschlaggebend, dass die Durchführung und die Beurteilung der Sicherheitskontrollen nicht die Aufgabe der ausführenden Fluggesellschaft ist, sondern wenn dann nur die der Luftsicherheitsbehörde. Dementsprechend kann die beklagte Fluggesellschaft die Annullierung des Fluges auch nicht damit begründen, dass ein Sicherheitsrisiko aufgrund mangelhaft kontrollierter Passagiere bestanden hätte. Diese Beurteilung fällt wie gesagt nicht in ihren Zuständigkeitsbereich.

    Noch einmal kurz zusammengefasst:

    Nur wenn ein Streik im Luftverkehr zu Folgen führt, die sich mit zumutbaren Maßnahmen nicht vermeiden lassen, und die Folgen des Streiks eine Annullierung eines Fluges rechtlich oder tatsächlich notwendig machen, gilt ein Streik als außergewöhnlicher Umstand für die Annullierung im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechte-VO.

    Die Notwendigkeit, einen Flug zu annullieren, ergibt sich nicht daraus, dass manche Passagiere aufgrund von Verzögerungen beim Sicherheitscheck den Flug womöglich nicht erreichen würden.

    Die Sicherheitskontrollen fallen in die Aufgabenbereiche von Bundespolizei und Luftsicherheitsbehörde. Nur sie sind in der Lage, Schließungen von Schleusen oder erneute Kontrollen der Passagiere etc. anzuordnen. Zur Annullierung von Flügen darf sich eine Fluggesellschaft maximal auf Anordnungen der Behörde berufen.

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