EuGH-Grundsatzurteil: Stärkung von Fluggastrechten bei Verspätungen außerhalb der EU
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 07. April 2022 durch ein Grundsatzurteil die Rechte von Fluggästen gestärkt, die außerhalb der EU auf Reisen sind.
- 13. April 2022
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Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 07. April 2022 durch ein Grundsatzurteil die Rechte von Fluggästen gestärkt, die außerhalb der EU auf Reisen sind. Innerhalb der Europäischen Union gelten bei Flugverspätungen bereits seit längerem klare Regeln für die Entschädigung von Passagieren bei Flugverspätungen. Der EuGH hat nunmehr klargestellt, dass diese Vorgaben auch für Reisen in Drittstaaten gelten.
Flugverspätungen außerhalb der EU - Entschädigungen von bis zu 600 Euro
Innerhalb der EU galt auch bisher schon: Wenn ein Flugverbindung gestrichen wurde oder ein Flug stark verspätet landet, besitzen Passagiere gegenüber der Airline einen Entschädigungsanspruch. Als stark verspätet gilt ein Flug, wenn die ursprünglich geplante Abflugs- oder Ankunftszeit um mindestens drei Stunden überschritten wurde. Bei Flugstrecken von weniger als 1.500 Kilometern beläuft sich die Entschädigung auf bis zu 250 Euro, bei längeren Flügen kann sie auf bis zu 600 Euro steigen. Ausschlaggebend ist dafür die Flugstrecke und nicht der gezahlte Ticketpreis. Ausnahmen von der Entschädigungspflicht bestehen, wenn die Airline die Passagiere rechtzeitig über die Flugplanänderung informiert oder angemessene Alternativflüge angeboten hat.
Nach EU-Recht muss das sogenannte ausführende Luftfahrtunternehmen die Entschädigungszahlung übernehmen. Diese Vorgabe gilt auch dann, wenn die Buchung bei einer anderen Airline vorgenommen wurde. Der EuGH hat diese Rechtauffassung nun bestätigt und auf Flugverspätungen in Drittstaaten ausgedehnt. Damit die Entschädigungspflicht auch in diesen Ländern greift, muss die Reise in einem EU-Land begonnen haben. Hierdurch wird gewährleistet, dass die gesamte Flugverbindung in den Geltungsbereich der EU-Verordnung über Fluggastrechte fällt (EuGH, Rechtssache C 561/20 vom 07. April 2022).
Der aktuelle Fall: Entschädigungspflichtig ist United Airlines
Der Fall, der jetzt durch den EuGH verhandelt wurde, stammt aus dem Jahr 2018. Drei Flugreisende aus Belgien hatten bei der Lufthansa einen Flug von Brüssel nach San José in Kalifornien via Newark/New Jersey gebucht. Die Flüge wurden von der US-amerikanischen Fluggesellschaft United Airlines durchgeführt. Auf dem zweiten Flug kam es wegen technischer Probleme zu einer Verspätung von drei Stunden und mehr als 40 Minuten. Die Reisenden wollten auf die Entschädigung nicht verzichten. Ihre Forderung übertrugen sie auf das Unternehmen Happy Flights, dass zunächst vor einem belgischen Gericht klagte und sich dabei auf die Anwendbarkeit der EU-Fluggastrechteverordnung berief. Da zu klären war, ob eine solche Anwendbarkeit tatsächlich gegeben ist, wurde der Fall an den EuGH verwiesen.
Der EuGH begründete seine Entscheidung damit, dass ein Flug mit Umstieg auf der Grundlage einer einzigen Buchung im Hinblick auf eventuell gegebene Ausgleichsansprüche als Gesamtheit zu betrachten ist. Gleichzeitig stellte der höchste europäische Gerichtshof klar, dass Umstiegsflüge, die in einem EU-Land beginnen, in den Anwendungsbereich der EU-Fluggastrechteverordnung fallen. Entschädigungspflichtig können in diesem Zusammenhang auch ausführende Nicht-EU-Luftfahrtunternehmen sein. Allerdings haben sie das Recht, die Airline, bei der die Buchung vorgenommen und somit ein Beförderungsvertrag abgeschlossen wurde, auf der Grundlage nationalen Rechts in Regress zu nehmen und sich die die Entschädigungszahlung auf diesem Weg zurückzuholen.
Nachhaltige Stärkung von Fluggastrechten
Durch seine Entscheidung hat der EuGH die Rechte von Fluggästen nachhaltig gestärkt. Der europäische Verbraucherverband BEUC begrüßte die Entscheidung und fasste seine Wirkung so zusammen, dass Fluggäste nunmehr unabhängig davon, wie sie ihr Ticket buchen und mit welcher Airline sie die EU verlassen, deutlich höhere Rechtssicherheit genießen.
Die Luftfahrtbranche reagierte deutlich verhaltener auf das Urteil. United Airlines hatte zunächst argumentiert, dass die Anwendung der EU-Fluggastverordnung auf den verhandelten Fall gegen das Völkerrecht verstoße. Harry Snook, ein Experte für Luftfahrtrecht, der für verschiedene Airlines tätig ist, kritisierte, dass die Fluggesellschaften künftig für Ereignisse verantwortlich sind, die komplett außerhalb des europäischen Luftraums liegen. Für die Fluggesellschaften sei aktuell nicht absehbar, welche Verpflichtungen tatsächlich auf sie zukommen, wenn die EU-Fluggastverordnung künftige auch auf solche Ereignisse angewendet wird.