Lufthansa-Streik: Entschädigung für Reisende?
Rund 20.000 Beschäftigte der Lufthansa streiken am 27. Juli 2022 - Diese Rechte haben Reisende: Entschädigung bis zu 600 Euro möglich
- 27. Juli 2022
- 2 Jahre, 2 Monate alt
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Inhaltsverzeichnis
Der von der Gewerkschaft ver.di angekündigte Warnstreik hat mitten in der Hauptreisezeit massive operative Auswirkungen. Lufthansa muss an den Drehkreuzen in Frankfurt und München für Mittwoch nahezu das gesamte Flugprogramm absagen. In Frankfurt müssen insgesamt 678 Flüge gestrichen werden. Am Drehkreuz in München sind es insgesamt 345 Flüge. Betroffen sind über 140.000 Fluggäste.
Europäischer Gerichtshof: Entschädigung bei Streik
Wenn ein Flug wegen eines Streiks gestrichen wird, können Passagiere ein Recht auf Entschädigung haben. Die Fluggesellschaft kann nicht einwenden, dass ein solcher Streik ein "außergewöhnlicher Umstand" darstelle, insbesondere wenn dieser sich an geltendes Recht halte, urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH) im März 2021. Wenn sich der Arbeitskampf darauf beschränke, etwa Gehaltserhöhungen oder bessere Arbeitszeiten durchzusetzen, sei dieser "Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit dieses Unternehmens" (Urt. v. 23.3.2021, Rs C-28/20).
Diese Rechte haben Fluggäste
Neben der Erstattung des Ticketpreises erhalten Fluggäste bei kurzfristiger Annullierung ihres Fluges eine pauschale Entschädigung, die sich nach der Flugdistanz berechnet.
- Bei Kurzstreckenflügen bis 1.500 Km: 250 Euro pro Person
- Bei Mittelstreckenflügen zwischen 1.500 Km und 3.500 Km: 400 Euro pro Person
- Bei Langstreckenflügen über 3.500 Km: 600 Euro pro Person
Im Falle des Streiks des Lufthansa-Personals vom 27. Juli 2022 ist nicht damit zu rechnen, dass die Lufthansa Fluggäste freiwillig entschädigt. Passagiere werden ihre Ansprüche voraussichtlich einklagen oder ein Fluggastportal wie Compensation2Go nutzen müssen.
Entschädigung auch für den Lufthansa-Streik am 27. Juli 2022?
Entscheidend dafür, ob ein Entschädigungsanspruch auch im Falle des Lufthansa-Streiks vom 27. Juli 2022 besteht, ist, ob es sich bei den Streikteilnehmern um eigenes Personal der Lufthansa handelt. Nur in diesem Falle besteht ein betriebsinterner Umstand, der zur Entschädigung berechtigt. Handelt es sich dagegen um externes Personal anderer Unternehmen, was etwa bei Bodenpersonal häufig der Fall ist, besteht kein Entschädigungsanspruch gegen die Lufthansa.
Die Lufthansa teilte hierzu am 26. Juli mit: "Die Gewerkschaft ver.di hat heute die rund 20.000 Beschäftigen am Boden der Deutschen Lufthansa AG zu einem Warnstreik von Mittwoch, dem 27. Juli 3:45 Uhr bis Donnerstagfrüh, 28. Juli, 6.00 Uhr, aufgerufen."
Dies spricht dafür, dass es sich bei den Streikteilnehmer um eigenes Personal der Lufthansa handelt und somit ein Entschädigungsanspruch besteht.
So machen Lufthansa-Passagiere ihre Rechte geltend
Um Ihr Recht auf Entschädigung durchzusetzen, sollten Sie wie folgt vorgehen:
- Dokumentieren Sie die Annullierung Ihres Flug so gut wie möglich, z.B. durch Aufbewahrung Ihrer Annullierungsmitteilung. Sofern Sie bereits am Flughafen sind, lassen Sie sich eine Annullierungsbestätigung ausstellen.
- Eine freiwillige Zahlung der Entschädigung durch die Lufthansa gilt im Falle eines Streiks als unwahrscheinlich. Dennoch können Sie die Fluggesellschaft - am besten per Einschreiben - auffordern, diese binnen 14 Tagen zu zahlen.
- Um Ihre Entschädigung binnen 24 Stunden zu erhalten, wenden Sie sich an das Fluggastportal Compensation2Go.
Lufthansa drohen Entschädigungsforderungen von über 50 Millionen Euro
Urteilen Gerichte tatsächlich zu Gunsten Passagiere und sprechen diesen für den Verdi-Streik bei der Lufthansa am 27. Juli 2022 tatsächlich eine Entschädigung zu, könnten auf Lufthansa gigantische Entschädigungsforderungen zukommen. Würde jeder der 140.000 Passagiere seinen Anspruch geltend machen, summieren sich die Gesamtkosten auf schätzungsweise über 50 Millionen Euro.Die Lufthansa wird daher versuchen, entsprechende Forderungen von Kunden abzuwehren, und diese zu einem langwierigen Gerichtsverfahren zu drängen.
Was tun, wenn die Ticketkosten nicht erstattet werden?
Gem. Art. 8 der Europäischen Fluggastrechteverordnung (EU) 261/2004 müssen Ticketkosten im Falle der Annullierung binnen sieben Tagen an den Fluggast erstattet werden. Fluggäste sollte die Lufthansa daher per E-Mail und Einschreiben hierzu auffordern. Sofern die Lufthansa dem nicht nachkommt, gibt es spezielle Rechtsdienstleister wie Coronaritter.de, die Ticketkosten für Fluggäste eintreiben.
Wählen Sie die Erstattung Ihrer Ticketkosten, haben Sie jedoch keinen Anspruch mehr auf Ersatzbeförderung. Sind Sie also gerade am Flughafen, raten wir Ihnen, das Alternativangebot anzunehmen.
Selbst Ersatzflug gebucht - Kostenerstattung?
Bietet Ihnen die Lufthansa keinen Ersatzflug an, darf man selbst einen Ersatzflug buchen. Die Lufthansa muss dann die zusätzlichen Kosten für den selbst gebuchten Ersatzflug zahlen. Durch die Weigerung einen Ersatzflug anzubieten, verletzt die Fluggesellschaft ihre Pflicht zur anderweitigen Beförderung nach Art. 8 der Europäischen Fluggastrechteverordnung (261/2004). Aus dieser Pflichtverletzung folgt ein Anspruch auf Schadensersatz nach §§ 280, 249 BGB, der die Mehrkosten des selbst gebuchten Ersatzfluges umfasst. Oft werden aber nur die Flugscheinkosten für die ursprüngliche Buchung erstattet. Dann können Sie den Differenzbetrag, also die Mehrkosten des Ersatzfluges, bei der Fluggesellschaft einfordern.
Wichtig ist dabei, dass die Kosten angemessen sein müssen (Urteil BGH v. 04.09.2018, Az X ZR 111/17). Sie sind zur Geringhaltung des Schadens verpflichtet und müssen daher darauf achten, einen möglichst günstigen Flug zu buchen.