Boeing: Hiobsbotschaften reißen nicht ab
Wird sich der Flugzeughersteller Boeing je wieder finanziell erholen?
- 17. Juni 2019
- 5 Jahre, 3 Monate alt
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Aufsichtsbehörden entscheiden im Juli über Grounding von Boeings 737 MAX
Am 23. Mai lud die FAA andere Aufsichtsbehörden weltweit nach Washington ein, um ihnen ihre Untersuchungsergebnisse zu den tragischen Abstürzen zweier Boeing 737 MAX-Jets im Oktober 2018 und im März 2019 zu präsentieren. Außerdem sollten Boeings Fortschritte bei der Überarbeitung des fehlerhaften Maneuvering Characteristic Augmentation System (MCAS) und bei der Einrichtung des damit zusammenhängenden Pilotentrainings besprochen werden. Inzwischen steht fest, dass das Grounding frühestens im August aufgehoben wird. Die Aufsichtsbehörden träfen sich dann mit Boeing und den Fluggesellschaften, um die Voraussetzungen für eine Wiederinbetriebnahme zu klären.
Boeing räumt ein: Weitere fehlerhafte Teile in 737-Jets eingebaut
Derweil wartet Boeing mit neuen schlechten Nachrichten auf: Demnach waren die Sensoren des MCA-Systems nicht die einzigen fehlerhaften Teile, die Boeing in die 737-Jets eingebaut haben. In 312 der 737-Maschinen könnten falsche Bauteile verwendet worden sein, wie Boeing gegenüber der FAA zugab. Bei den fehlerhaft hergestellten Teilen handelt es sich um sogenannte leading edge slats: Vom Piloten steuerbare Teile in den Tragflächen, die bei der Landung benutzt werden, um die Geschwindigkeit zu reduzieren. Die FAA gab Boeing zehn Tage Zeit, die fehlerhaften Bauteile auszutauschen. Neben den MAX-Modellen sind auch Maschinen vom Typ 737 NG betroffen.
Hauptaktionär Vanguard kritisiert Boeings Sicherheitskonzept
Zusätzlich noch Boeings größter Einzelaktionär Druck auf die Geschäftsleitung aus. Die Investmentgesellschaft Vanguard sei sehr besorgt über das Problemmanagement bei Boeing. Man sei unzufrieden mit der schleppenden Aufarbeitung der beiden Abstürze, teilte Vanguard in einem Schreiben mit. Sie forderten in Zukunft eine ausnahmslose Sicherheitsgewährleistung für die Flugzeuge von Boeing. Die Kritik mag für Boeing zu einem ungünstigen Zeitpunkt kommen, aber sie ist mehr als berechtigt. Denn wie in diesem Kontext auch bekannt wurde, ist das überarbeitete MCAS noch nicht einsatzfähig. Ob das Grounding wirklich im August aufgehoben wird, bleibt dabei ungewiss.
American Airlines kündigt Grounding bis mindestens September an
Als Reaktion auf die jüngsten Ereignisse hat nun auch American Airlines, eine der major carrier in den USA und auch einer der größten Kunden von Boeing, angekündigt seine 737 MAX-Jets frühestens am dritten September abheben zu lassen. Bislang hatte die Fluggesellschaft geplant die Flugzeuge am 19. August wieder fliegen zu lassen. Nun hat American Airlines die Maschinen in ihrem kompletten Sommerflugplan ausgespart. Die Verzögerung von 14 tagen betrifft insgesamt 1610 Flüge, die dadurch annulliert werden mussten. Derzeit fallen täglich 115 Flüge aus. Aktuell befinden sich 24 737 MAX-Jets in der Flotte von American Airlines und weitere 76 Flugzeuge waren bestellt.
Negativ-Schlagzeilen wirken sich auf Bestellungen aus
Die Schulden von Boeing befinden sich bereits in Milliardenhöhe und wachsen mit jedem weiteren Tag, den die 737 MAX-Modelle am Boden verbringen. Die vom Grounding betroffenen Fluggesellschaften fordern dafür die Kosten der Ausfälle zurück. Es dürfte also spannend werden, wie Boeing diese Kosten begleichen will. Vor allem wenn die Bestellungen ausbleiben, wie im vergangenen Mai, oder wenn Bestellungen storniert werden, wie von der indischen Jet Airways. Bereits im April war die Auftragslage mit vier Bestellung äußerst dünn. Doch auch für die Reisebranche insgesamt stellt das Grounding ein nicht überschaubares Problem dar. Allein TUIfly – der größte Boeing-Kunde auf dem europäischen Markt – beziffert die Zusatzkosten durch das Grounding auf 300 Millionen € bis August.
Der Auslöser: Flugzeug-Abstürze im Oktober 2018 und März 2019
Die ganze Krise wurde durch die Abstürze zweier Boeing 737 MAX-8 im vergangenen Oktober und März ausgelöst. Die Maschinen stürzten kurz nach ihrem Start ab. Ziemlich schnell stellte sich heraus, dass ein Sensor des Maneuvering Characteristic Augmentation System falsche Daten lieferte. Das System kontrolliert den Anstellwinkel des Flugzeugs und sollte eigentlich dafür sorgen, dass das Flugzeug bei einem Strömungsabriss nicht abstürzt. Stattdessen zog es die Spitze der Maschinen nach unten, ohne dass die Piloten die Gelegenheit gehabt hätten, etwas dagegen zu unternehmen. Insgesamt kamen 376 Menschen bei den Abstürzen ums Leben.
Boeing und auch die amerikanische Flugaufsichtsbehörde FAA standen daraufhin besonders deswegen in der Kritik, weil Boeing sich das System mehr oder weniger selbst genehmigt hat. Außerdem belegen mehrere Dokumente, dass sowohl Boeing als auch die FAA schon mindestens seit dem ersten Absturz von den Fehlern wussten und nicht reagiert hätten. Zumindest der zweite Absturz hätte verhindert werden können.