Gibt es bald Flugentschädigungen bei gewöhnlichen Streiks?

AG Düsseldorf: Streik nicht unbedingt außergewöhnlicher Umstand

Das AG Düsseldorf hat einen sinnvollen Entschluss gefasst. Hoffentlich setzt sich diese Auffassung durch. pixabay
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    In einem Verfahren von Compensation2Go hat das Gericht darauf hingewiesen, dass es die Streiks bei Eurowings im Oktober 2019 nicht als außergewöhnlichen Umstand ansieht. Das kann eine Entschädigung für betroffene Passagiere bedeuten.

    Die bisherige Rechtsprechung des EuGH

    Sofern Fluggesellschaften bestreikt werden, unterscheidet man grundsätzlich zwischen „normalen“ und „wilden“ Streiks. Hinsichtlich der Letzteren hat der EuGH bereits mit Urteil vom 17. April 2018 in einem Verfahren gegenüber TUIfly entschieden, dass die spontane Krankmeldung eines erheblichen Teils des Flugpersonals zumindest dann keinen außergewöhnlichen Umstand darstelle, wenn dies eine Reaktion auf die vom Unternehmen angekündigten Umstrukturierungspläne sei. Begründet wurde dies damit, dass die mit derartigen Maßnahmen einhergehenden Risiken letztlich zur normalen Ausübung des Flugbetriebs dazugehören. Obwohl seit dieser überzeugenden Entscheidung nunmehr feststeht, dass „wilde“ Streiks Fluggesellschaften nicht entlasten, blieb die Rechtslage hinsichtlich der „normalen“ Streiks weiterhin ungeklärt.

    Der Hintergrund zu den laufenden Verfahren

    Gerade dies könnte sich nun aber mit Blick auf die Hinweisbeschlüsse des Amtsgerichts Düsseldorfs ändern. In einem der Verfahren ging es um einen Eurowings-Flug, welcher eigentlich von Köln nach Mallorca fliegen sollte. Erst kurz vor dem planmäßigen Start kam die Ansage, dass der Flug (streikbedingt) gestrichen werden musste. Nach Übernahme des Falles durch Compensation2Go wendete Eurowings – wie erwartet – außergerichtlich ein, dass wegen des Streiks kein Anspruch bestehe und verweigerte jegliche Zahlung. In der Folge wurde gegen die Fluggesellschaft Klage vor dem Amtsgericht Düsseldorf erhoben – und das offenbar erfolgreich.

    AG Düsseldorf: Normaler Streik kein außergewöhnlicher Umstand

    In dem Hinweisbeschluss vom 17. Februar 2020 weist das Gericht überzeugend darauf hin, dass bei „regulären“ Streiks die Entlastung nicht leichter gelingen darf als bei „wilden“ Streiks. Denn wenn schon die unerwartet auftretenden „wilden“ Streiks keine entlastende Wirkung haben, obwohl hier die Planungsmöglichkeiten von Fluggesellschaften wesentlich stärker beeinträchtigt sind, muss dies erst recht für „gewöhnliche“ Streiks gelten, welche in der Regel zuvor sogar angekündigt werden. Im Einklang mit der EuGH-Rechtsprechung darf es auch keinen Unterschied machen, ob die Streiks nach nationalem Recht rechtmäßig oder rechtswidrig sind, da die Fluggastrechte-Verordnung in allen Mitgliedsstaaten ein einheitlich hohes Schutzniveau schaffen will.

    Weitere Entscheidungen der Instanzgerichte zu erwarten

    Compensation2Go hatte sich bereits für mehrere Fluggäste von Eurowings für eine Entschädigung durch die Airline aufgrund des Flugausfalls wegen Streik eingesetzt. Auch bei den Amtsgerichten in Köln, Dortmund, Frankfurt und Hamburg hat Compensation2Go entsprechende Klagen auf Entschädigung eingereicht. Die Rechtslage ist noch nicht eindeutig, doch die Beschlüsse des Amtsgerichts Düsseldorf sind insofern bemerkenswert, als sie bisher nicht der gängigen Rechtsprechung entsprachen und somit die Erfolgschancen vor Gericht zunächst niedrig waren.

    Reaktion auf Streiks bei Eurowings

    Die Gewerkschaft UFO hatte im Oktober und Dezember letzten Jahres zu drei Streikwellen mit einem Flugausfall von rund 2.000 Flügen bei der Lufthansa und ihren Tochterunternehmen aufgerufen. Dazu gehörte auch Eurowings. Stets ging es um eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und die Einhaltung von Tarifvereinbarungen: eine Folge der Umstrukturierung innerhalb der Fluggesellschaft. Der gerichtliche Beschluss weist nun darauf hin, dass es nicht ungewöhnlich ist, dass sich Luftfahrtunternehmen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit Meinungsverschiedenheiten oder Konflikten mit ihren Mitarbeitern gegenübersehen können. Damit lässt das Gericht durchblicken, dass auch der von Eurowings im Verfahren erhobene Einwand, man habe die Forderung von UFO durch die Gehaltserhöhung von zwei Prozent erfüllt und die plötzliche Streikausweitung am 20. Oktober 2019 sei überraschend gewesen, im Ergebnis nicht überzeugt.

    Das bedeutet der Beschluss für Fluggäste

    Noch liegt kein Urteil vor, doch der gerichtliche Hinweis ist ein sehr positives Zeichen für alle Fluggäste und für alle Mitarbeiter von Airlines, die sich aufgrund von Tarifbestimmungen oder Arbeitsbedingungen im Streit mit der Geschäftsführung befinden. Denn wenn sich die Ansicht des AG Düsseldorf durchsetzt, steht nicht nur allen Passagieren, die ihren Flug wegen eines Streiks nicht wie geplant antreten konnten, eine Entschädigung zu. Es wird darüber hinaus auch der Druck auf die Airlines erhöht, Arbeitsbedingungen zu verbessern und Tarife entsprechend zu erhöhen, damit das Personal nicht in den Streik tritt. Denn das könnte zukünftig richtig teuer für die Airlines werden, da sie dann auch für Entschädigungen für den Flugausfall aufkommen müssen.