Flugentschädigung bei Charter- und Codesharing-Flügen

Neues aus der Rechtsabteilung (7): Wenn eine andere Airline fliegt als auf dem Ticket steht

Wenn Flugticket und Abflugtafel etwas kontroverses sagen: An welche Fluggesellschaft Sie sich bei Charter- und Codesharingflügen wenden müssen, erfahren Sie hier. pixabay
Inhaltsverzeichnis
    Codesharing und das Chartern von Maschinen inklusive Besatzung durch größere Fluggesellschaften ist ganz alltäglich, aber als Fluggast ist man oft verwirrt, wer im Entschädigungsfall die Verantwortung trägt.

    In dieser Rubrik stellen wir Ihnen wöchentlich ein Urteil zu Fluggastrechten aus dem deutschsprachigen Raum vor. Wir möchten Sie damit auf aktuellstem Stand zu Flugausfällen, Flugverspätungen, weiteren Komplikationen im Luftverkehr und über Fluggästen zustehende Leistungen informieren und beraten.

    Der Fall: Wer ist für die Entschädigung der Passagiere verantwortlich?

    Vier Fluggäste klagten vor dem Amtsgericht Hamburg 2018 gegen die Thomson Airways, eine Charterflug- und Leasing-Fluggesellschaft. Sie forderten von dem Charterer eine Entschädigungszahlung aufgrund einer massiven Verspätung auf einem Flug von Hamburg nach Cancun in Mexico. Thomson Airways hatte aber die Ausgleichszahlung verweigert. Da alle Voraussetzungen für eine Ausgleichszahlung durch die Fluggesellschaft erfüllt waren, gab das Amtsgericht der Klage statt. Thomson Airways ging daraufhin in der nächsthöheren Instanz, dem Landgericht Hamburg in Berufung. Laut dem Charterer sei er nicht das zuständige, weil nicht das „ausführende Luftfahrtunternehmen“. Stattdessen müsse die Entschädigungsforderung gegen die TUIfly GmbH gerichtet werden, da diese Thomson Airways zur Durchführung des Fluges beauftragt habe.

    Wet und Dry Lease: Das Mieten von Flugzeugen mit und ohne Besatzung

    Laut Thomson Airways charterte TUIfly ein Flugzeug samt Besatzung für eine bestimmte Anzahl an Flügen. Diese Regelung nennt man in der Branche Wet Lease – im Gegensatz zum Dry Lease, bei dem nur eine Maschine ohne Besatzung gechartert wird. Der Vertrag mit TUIfly sah vor, dass diese die Verantwortung für die Bodenabfertigung, einschließlich der Abfertigung der Fluggäste, dem Wohlergehen der Fluggäste zu jeder Zeit, der Frachtabfertigung und der Sicherheit in Bezug auf Fluggäste und Gepäck, hatte. Auf den Buchungsbestätigungen der Fluggäste war vermerkt, dass die Buchung von TUIfly vorgenommen werde, der Flug aber von Thomson Airways „ausgeführt“ werde.

    Damit ergab sich die Frage, welches von beiden Unternehmen für die Entschädigung der Fluggäste verantwortlich sei. Das Amtsgericht hatte diese Frage zu Lasten von Thomson Airways ausgelegt, weswegen besagtes Unternehmen in die Berufung ging. Das Landgericht Hamburg wiederum gab die Frage, welches Unternehmen nun tatsächlich den Flug „ausgeführt“ habe und damit in der Verantwortung stehe, an den Europäischen Gerichtshof zur Vorabklärung weiter.

    Codesharing – Was ist das eigentlich?

    Neben dem Chartern oder Leasen von Flugzeugen zur Durchführung von Flügen ist es ebenso üblich, dass mehrere Fluggesellschaften denselben Flug unter verschiedenen Flugnummern anbieten und eine der Fluggesellschaften diesen Flug im Namen der anderen durchführen. Dabei gelten bezüglich der Fluggäste die gleichen Regeln wie bei Charterflügen wie in diesem Fall.

    Das Urteil: Welches Unternehmen gilt als „ausführendes Unternehmen“?

    Der EuGH hielt fest, dass diejenige Fluggesellschaft als „ausführendes Luftfahrtunternehmen“ gelte, das die Entscheidung trifft, einen bestimmten Flug durchzuführen – einschließlich der Festlegung der Flugroute. Dadurch schafft dieses Unternehmen ein Angebot mit dem Ziel der Beförderung von Fluggästen. Diese Entscheidung zu treffen, bedeute, dass dieses Unternehmen auch die Verantwortung für die Durchführung des Fluges trägt. Dementsprechend ist es auch in Fällen von Annullierungen oder relevanten Flugverspätungen verantwortlich. Daraus ergibt sich, dass ein Flugunternehmen, das anderen Fluggesellschaften seine Flugzeuge vermiete, – wie die Charterfluggesellschaft Thomson Airways – nicht als ausführendes Luftunternehmen im Sinne der Fluggastrechte-Verordnung Art. 2 lit. b) anzusehen ist.

    Die Gründe: Wer die Flugroute plant, führt auch den Flug offiziell durch

    Für diese Entscheidung sind vor allem Art. 2 lit. b) und Erwägungsgrund 7 der Verordnung ausschlaggebend. Ersteres weist darauf hin, dass das „ausführende Luftfahrtunternehmen“ einen Vertrag mit dem Fluggast schließt. Zweiteres hält fest, dass es für die Verantwortung und die Verpflichtungen dieses Unternehmens irrelevant ist, ob der entsprechende Flug mit einem Flugzeug des Unternehmens oder einem geleasten Flugzeug durchgeführt wird.

    „Damit diese Verordnung wirksam angewandt wird, sollten die durch sie geschaffenen Verpflichtungen dem ausführenden Luftfahrtunternehmen obliegen, das einen Flug durchführt oder durchzuführen beabsichtigt, und zwar unabhängig davon, ob der Flug mit einem eigenen Luftfahrzeug oder mit einem mit oder ohne Besatzung gemieteten Luftfahrzeug [Hervorh. d. Red.] oder in sonstiger Form durchgeführt wird.“ (Erwg. 7 EU-VO 261/04)

    Da TUIfly in diesem Fall sowohl einen Beförderungsvertrag mit den Fluggästen als auch einen Mietvertrag mit Thomson Airways schloss, ist es eindeutig als das ausführende und damit auch als das verantwortliche Unternehmen einzustufen. Nicht zuletzt ergibt sich das auch aus dem Vertrag zwischen TUIfly und Thomson Airways, in dem der operative Teil der Flugdurchführung TUIfly zugeschrieben wird. Zwar sei es irreführend, wenn die Charterfluggesellschaft, und nicht die ausführende Fluggesellschaft auf der Buchungsbestätigung bzw. dem Flugticket vermerkt wird, doch sei dieser Aspekt zu vernachlässigen.

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