Boeing: 737 MAX - Flugverbot verlängert sich auf unbestimmte Zeit

Neue Fehler von FAA und EASA bei Boeings 737 MAX entdeckt

Das Verfahren um das Flugverbot für Boeings 737 MAX-Jets ist zu einem handfesten Skandal ausgewachsen. Alles begann mit defekten Sensoren des MCAS. by David Mark / pixabay
Inhaltsverzeichnis
    Nach zwei Flugzeugunglücken von Boeing 737 MAX Maschinen ist Flugzeug-Hersteller Boeing in eine tiefe Krise geraten. Der Skandal um mangelhafte Tests und die selbstdurchgeführte Zertifizierung nimmt immer größere Ausmaße an. Die neuesten Details.

    Warum müssen Boeings 737 MAX Flugzeuge am Boden bleiben?

    Nach den Abstürzen zweier Boeing 737 MAX 8 Maschinen im Oktober 2018 und im März 2019 stellte sich bei den Untersuchungen der Black Box heraus, dass ein internes Steuerungssystem der Maschinen für beide Abstürze verantwortlich war. Das sogenannte Maneuvering Chareracteristic Augmentation System (MCAS) sollte eigentlich über zwei Sensoren einen Strömungsabriss an der Unterseite des Flugzeuges erkennen und das Flugzeug stabil in der Luft halten können, in dem es unterschwellig in die Steuerung eingreift. Durch einen Defekt bei einem der Sensoren steuerte das MCAS die Flugzeuge in den Abgrund.

    Zu viele Fehler bei Boeing mit und bei dem MCAS

    Im Laufe der Untersuchung stellte sich nicht nur heraus, dass das MCAS eine unbeherrschbare Fehlfunktion hatte, sondern auch, dass Boeing dessen Einführung zum großen Teil verschwiegen hatte. Die Piloten waren mit dem System nicht vertraut gemacht worden, bei dem Boeing aus Kostengründen auf zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen und Schulungsmaßnahmen verzichtet hatte. Außerdem kam heraus, dass Boeing sich das System selbst zugelassen hatte, da der Konzern in Absprache mit der FAA schon jahrelang seine Modelle selbst zertifiziert. Als Begründung gab die FAA an, dass sie weder über die Kapazitäten noch über das Know-How verfügt hätten, jedes Modell von Boeing zu zertifizieren. Für beide Unternehmen bedeutete das einen erheblichen Image-Verlust.

    Mitarbeiter bei Boeing und FAA wussten von fehlerhaftem System

    Als wenn die bisherigen Details nicht schon schockierend genug gewesen wären, zeigte sich durch die Ermittlungen auch noch, dass sowohl bei Boeing als auch bei der FAA mehrere Mitarbeiter bereits nach dem ersten Unfall im Oktober 2018 auf die Fehler des Systems gestoßen waren. Es gibt auch mehrere schriftliche Beschwerden und Anmerkungen zum System von Piloten, denen die Fehler ebenfalls aufgefallen waren und die sich Ende letzten Jahres an beide Unternehmen wandten. Ein interner Bericht der FAA zum MCAS von November 2018 erreichte die aus ungeklärten Gründen nie die verantwortlichen Führungskräfte. Es ist eine tragische Erkenntnis, dass zumindest der zweite Absturz hätte verhindert werden können.

    FAA unzufrieden mit Testergebnissen zu MCAS

    Nach bisherigem Kenntnisstand hat Boeing ihr neues System wohl kaum ausgiebig getestet. Denn selbst nach der letzten Überarbeitung enthält das MCAS immer noch Fehler, die zu Schwierigkeiten in der Bedienung führen. Im Simulator-Test fiel es FAA-Piloten schwer, die Kontrolle über das virtuelle Flugzeug zu behalten. Oder zurückzuerlangen, nachdem einmal das MCAS eingeschaltet worden war. Auch wenn sich Boeing demütig konstruktiv gibt und sich mit den Anforderungen und Änderungswünschen der FAA einverstanden erklärt, kann bisher niemand mit Sicherheit sagen, wie lange das Grounding der MAX-Jets noch anhalten wird.

    Wer hat die Software geschrieben?

    Darüber hinaus wurde inzwischen bekannt, dass Boeing die Software des MCAS nicht selbst geschrieben hat. Stattdessen habe es laut Aussagen mehrer ehemaliger Mitarbeiter eine indische Computerfirma beauftragt die Software zu schreiben. Die wiederum soll billige Leiharbeiter engagiert haben, die unter Zeit- und Kostendruck eine teilweise nur provisorische Software geschrieben haben, damit das MAX-Modell zum Flugtest zugelassen wird. Die Entscheidung sei in einer Zeit gefallen, in der Boeing einen extremen Sparkurs angetreten habe. Einige Ingenieure seien entlassen worden und ihre Aufgaben in das billiger produzierende Indien verlagert worden. Boeing dementierte diese Darstellungen, aber konnte bisher auch mit keiner Gegendarstellung überzeugen.

    EASA entdeckt Fehlfunktion des Autopiloten und mehr

    Da das Flugverbot der 737 MAX weltweit gilt, haben auch andere Flugaufsichtsbehörden als der FAA Tests und Untersuchungen der Maschinen und speziell des MCAS angestrengt. Die Europäische Flugaufsichtsbehörde EASA hat bei ihren „Design Reviews“ festgestellt, dass nicht nur das MCAS eine Gefahrenquelle darstellt. Auch der Autopilot funktioniere nicht sicher, da er sich in bestimmten Situationen nicht schnell genug abschalten ließe, was im wahrsten Sinne lebensrettende Sekunden koste. Die EASA identifizierte insgesamt fünf Problembereiche. Dazu zählten u.a. die Bedienbarkeit des manuellen Trimmrades, ein neues Trainingsverfahren für Piloten und die Verarbeitung der Daten aus den Anstellwinkelsensoren des MCAS.

    Aufhebung Flugverbot in weiter Ferne

    Die Kosten, die Boeing einst versuchte einzusparen, treffen das früher sehr angesehene Luftfahrtunternehmen nun doppelt und dreifach. Denn es muss nicht nur für die Kosten der Entwicklung sämtlicher Neuerungen aufkommen, es verzögert sich dadurch auch die Produktion neuer Maschinen. Außerdem werden sämtliche vom Grounding betroffenen Fluggesellschaften ihre Verluste bei Boeing einklagen. Das dürfte immens werden - selbst für ein Unternehmen, das mit Beträgen in Millionenhöhe arbeitet. Denn die Kosten für die Ausfälle steigen mit jedem Tag, an dem das weltweite Flugverbot der MAX-Jets weiter besteht. Angesichts der vielen Probleme, die Boeing aktuell noch lösen muss, wird sich die Aufhebung des Flugverbots noch auf unbestimmte Zeit hinziehen.

    Boeing verliert ersten Großauftrag an Airbus

    Nun hat Boeing auch noch einen Großauftrag über 50 Maschinen verloren, die von saudi-arabischen Fluggesellschaft Flydeal bestellt wurden. Es ist nicht bekannt, ob die Tochterfirma der nationalen Fluglinie Saudi Arabian Airlines die Bestellung wegen der Auslieferungsverzögerung oder aufgrund des Image- und Vertrauensverlustes des amerikanischen Flugzeug-Herstellers stornierte. Fest steht, dass Flydeal nun statt der 50 Boeing 737 MAX 50 Exemplare des Airbus A320neo bestellt hat. Sie ist damit die erste Fluggesellschaft, die sich statt für einen Boeing-Jet für eine Airbus-Maschine entscheidet. Es bleibt abzuwarten, ob weitere folgen werden, oder ob Boeing seine Probleme noch rechtzeitig in den Griff bekommt.