Flüge sind 2019 pünktlicher geworden? - Von wegen!

Der Mythos vom verbesserten Luftverkehr

Angeblich mussten 2019 weniger Passagiere auf ihre Flüge warten, da der Luftverkehr über Deutschland angeblich pünktlicher geworden ist. Ob das stimmt? pixabay
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    Angeblich haben sich die Flugverspätungen und die Anzahl der Flugausfälle in diesem Jahr reduziert und die Maßnahmen des Luftfahrtgipfels zeigen in Deutschland Wirkung. Doch bei näherer Betrachtung ist das nur die halbe Wahrheit.

    Zunächst: Maßnahmen des Luftfahrtgipfels scheinen zu wirken

    Nach dem Reise-Chaos im Luftverkehr im Sommer 2018 hatte sich Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer im Oktober 2018 und im März 2019 mit vielen wichtigen Akteuren des deutschen Luftverkehrs in Hamburg getroffen. Auf diesen Luftfahrtsgipfeln wurden Maßnahmen zu Flugsicherung, Fluggesellschaften und Flughäfen ausgearbeitet, um den Flugverkehr wieder pünktlicher und reibungsloser organisieren zu können. Viele dieser Maßnahmen, wie z.B. die Entzerrung der Flugpläne der Airlines erwiesen sich auch als äußerst wirkungsvoll. Es gab im ersten Halbjahr 2019 weniger Flugannullierungen als im gleichen Zeitraum 2018. Das kann durchaus als Fortschritt gewertet werden.

    Konkret: Was hat sich verbessert?

    Nehmen wir die Auswertungen mal genau unter die Lupe: Nach den Angaben der Deutschen Flugsicherung (DFS) habe sich die durchschnittliche Verspätung pro Flug von 14,1 auf 12 Minuten reduziert, während die Anzahl der Flugbewegungen insgesamt gestiegen ist. So ist die Zahl der Flüge im EU-Luftraum um 2,3 Prozent auf 4,8 Mio. gewachsen. Im deutschen Luftraum wurden 1,6 Mio. Flüge gezählt, was ebenfalls einer leichten Steigerung um 1,3 Prozent entspricht. Man kann also schon in gewissem Sinne von einer Verbesserung sprechen, so wie man sich in der Schule von der Note sechs auf eine fünf verbessern kann. Gut ist der Schüler dann jedoch noch lange nicht.

    Hohe Investitionen für geringfügige Verbesserungen?

    Konkret haben sich auch nur die DFS und manche Airlines in ihrer durchschnittlichen Verspätungsbilanz verbessert. Die Flughäfen stagnieren in ihrer Verspätungsbilanz, und auch die anderen „Sorgenkinder“ des Luftverkehrs wie die Sicherheitskontrollen der Bundespolizei können keine Optimierungen vorweisen. Aber zumindest auch keine Verschlechterungen im Vergleich 2018, was aktuell positiv ausgelegt wird. Die Formel lautet: „Keine Verschlechterung ist auch eine Verbesserung.“ Um den Luftverkehr effizienter und zuverlässiger zu gestalten wurde viel Geld in die Hand genommen. Allein die Lufthansa investierte 250 Mio. Euro. Dadurch konnte die Lufthansa seinen operativen Betrieb stabilisieren und die Flugausfälle angeblich um die Hälfte reduzieren.

    Vorsorgliche Stornierung problematischer Flüge

    Das ist leider eine beschönigte Darstellung. Tatsächlich ist die Zahl der Flugannullierung zwar gesunken, aber nicht um die Hälfte: Es stehen 8.690 Flugausfälle im ersten Halbjahr 2018 5.842 Flugausfällen im gleichen Zeitraum 2019 gegenüber. Außerdem sind viele Airlines, also auch Lufthansa, inzwischen dazu übergegangen, problematische Flüge vorsorglich zu annullieren und die Fluggäste auf einen Flug davor oder danach umzubuchen. Genauer gesagt streichen die Airlines auf Flugstrecken, die mehrmals am Tag oder in der Woche angeboten werden, einzelne Flugverbindungen vorsorglich einen Tag vor Abflug, die Gefahr laufen, sich zu verspäten oder auszufallen. Dadurch gehen diese Flüge nicht in die Statistik der Flugannullierungen ein da es sich ja offiziell um Stornierungen der Flugverbindungen handelt.

    Geschönte Darstellungen: Bilanz der Flughäfen

    Eine weitere geschönte Statistik des Luftverkehrs findet sich bei der Leistung der Flughäfen: Diese wären in ihrer Bilanz des operativen Geschäftes zumindest gleich geblieben und hätten sich nicht zusätzlich verschlechtert. Der Flughafen-Verband ADV gab an, 2019 zusätzliches Personal und eine höhere Automatisierung der Vorgänge am Flughafen vorgenommen zu haben. Eine Erhebung des Institutes Statista zeigt jetzt, dass die Probleme im Gegenteil zur Aussage des AVD sogar noch zugenommen haben. So hat sich der Anteil der außerplanmäßig durchzuführenden Flüge in den vergangenen fünf Jahren verdoppelt und ist im Vergleich von 2018 zu 2019 sogar noch um 0,7 Prozent auf insgesamt 21,3 Prozent gestiegen.

    Eine Frage der Perspektive: Die Entwicklung der Flugstörungen

    Die Aussage, dass sich der Luftverkehr im ersten Halbjahr 2019 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verbessert hat, stimmt zwar, jedoch wäre es falsch von einer generellen Verbesserung in der deutschen und europäischen Luftfahrt zu sprechen. Vergleicht man das erste Halbjahr 2019 mit dem gleichen Zeitraum 2017 zeigt sich, wie gravierend die Entwicklung der Flugannullierungen generell ist. Zwar haben sich die Flugverspätungen über drei Stunden wieder auf das Niveau von 2017 reduziert, doch die Anzahl der Flugausfälle ist von 2017 zu 2019 um 23,35 Prozent, also um fast ein Viertel, gestiegen. Betrachtet man nun noch die Flugannullierungen für einzelne Flughäfen, stellt man fest, dass sich die Zahl im Flughafen München von 2017 zu 2019 nahezu verdoppelt hat, auch wenn sie unter dem Niveau von 2018 liegt.

    Airlines für die Hälfte aller Flugverspätungen verantwortlich

    Nochmal: Angeblich helfen die Maßnahmen des Luftfahrtsgipfels, den Luftverkehr pünktlicher zu machen. Einer Erhebung von Statista zufolge sind jedoch die Fluggesellschaften für 45,2 Prozent aller Flugverspätungen verantwortlich. Mit anderen Worten: Es ist noch sehr viel Spielraum nach oben offen. In diesem Licht erscheint auch die Kritik der Fluggesellschaften an den Sicherheitskontrollen der Bundespolizei übertrieben – Sie verantworten nur 6,1 Prozent der Flugverspätungen bei Flügen zu internationalen Zielen. Auch die Behauptungen der Fluggesellschaften und Flughäfen im Juni dieses Jahres, dass ein Großteil der Flugverspätungen auf Unwetter und sturmartigen Wetterverhältnisse zurückginge, scheint nun zumindest fragwürdig. Denn laut Statista ist nur jede zehnte Flugverspätung auf die Wetterverhältnisse zurückzuführen.

    Es ist eben nicht alles Gold, was glänzt und sicherlich hat die Interpretation der Statistik durch die Luftfahrtunternehmen auch Image-Gründe. Wir würden uns jedoch eine neutralere und objektivere Auswertung und Berichterstattung wünschen.